Der Seele und der Liebe begegnen – Beate Rygiert überzeugt mit „George Sand und die Sprache der Liebe“

Eine Frau steht ihren Mann – diese Redewendung passt auf George Sand mehr denn je. Dies erfährt die Leserin oder der Leser in Beate Rygierts Roman „George Sand und die Sprache der Liebe“, erschienen im Aufbau-Verlag, rechtzeitig noch vor der Frankfurter Buchmesse 2019. Obgleich mich das Buch sehr gefesselt hat, habe ich es leider erst jetzt im Frankreich-Urlaub geschafft, das Buch zu Ende zu lesen. Dafür habe ich dann gleich innerhalb eines Tages die zweite Hälfte des Romans und damit diesen zu Ende gelesen. In einer sehr empathischen Sprache, genauso wie die Autorin die Protagonistin, welche in der Zeit der Aufklärung, um das Jahr 1831, sogar mit Frédéric Chopin zusammen war, beschreibt und diese folglich dem Leser auch so erscheint, wird das Buch zum Lesegenuss. Man taucht ein in eine nur scheinbar ganz andere Zeit, in der es die einzelne Frau wie heute noch, bezogen speziell auf Gehälter oder Spitzenpositionen, mitunter in allen Lebensfragen sehr schwer hatte.
Warum muss man immer nur das eine tun?
So schreibt die Autorin zum Beispiel auf Seite 132 aus dem I. Teil des Buches mit dem Titel „Aurore Dudevant ist tot – Es lebe George Sand“ (1831-1833):
»Warum muss man immer nur das eine tun? «, fragte sie (George Sand) ihren Freund, als sie sich wieder zu ihm setzte. »Ich will Marmelade kochen dürfen und Zigarren rauchen. Ich will mein eigenes Geld verdienen und trotzdem von einem Mann auf Händen getragen werden. Weil ich ihn auch auf Händen trage, verdammt nochmal. Und nur, weil ich Männerhosen trage, bin ich noch immer eine Frau mit allem, was eine Frau ausmacht. « Das hat Jules nie begriffen, fügte sie in Gedanken hinzu. «
Und so taucht man als Leser ein in das gesellschaftliche Leben der Zeit sowie bis in die tiefsten emotionalen Höhen und Tiefen einer Frau, die sich in Zeiten der Aufklärung schon als Frau und Mutter mit zwei Kindern finanziell durchbrachte und von ihrer charismatischen Persönlichkeit her auch in der immer noch sehr männerdominierten Gesellschaft durch setzte. So hatte sie neben ihrer Ehe aus Vernunftgründen, romantischen und teils zerstörerischen Beziehungen wie der zu Alfred Musset auch intimen Kontakt mit einer ihrer Seelen-Freundinnen. Schließlich wird sie nicht nur zu einer der gefragtesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit, die sich unter ihrem Männernamen George Sand durchsetzt und teilweise auch als Mann fühlt.
Auch das innere Seelenleben kommt zur Sprache
Auch einer ihrer Romane, den manche ihrer Zeitgenossen wie Honore de Balzac, Heinrich Heine, Franz Liszt und andere als Seelen- bzw. psychologischen Roman bezeichnen, da die Autorin offen über ihr Gefühlsleben als Frau spricht und auch davon, dass wahre Liebe mitunter bedeute, dem anderen seine Freiheit zu gewähren und ihn nicht besitzen zu wollen, wird zum Gesprächsstoff der Zeit. Ihr Liebhaber Alfred Musset gesteht ihr das umgekehrt nicht zu und so wird man Zeugin und Zeuge eines bewegten Lebens der Schriftstellerin und eine der bedeutendsten Frauen ihrer Zeit sowie Vordenkerin der heutigen Zeit und Vorbild für uns Frauen heute. Beeindruckend!
Die Sprache der Liebe (ist die Musik)
Hier noch zwei der Textstellen, die mich sehr beeindruckt haben, und gleich als nächstes die, die den Titel des Buches näher erklärt und beschreibt, siehe Seite 301:
„Als er sich erneut am Flügel niederließ, und seine Hände suchend über die Tasten gleiten liess, zärtlich, als streichle er einen Körper, da fühlte Georg Sand, wie ihre Sinne in Resonanz zu seinen Melodien zu schwingen begannen. Sie konnte es nicht glauben. War es ihr nun tatsächlich wieder passiert? Sie hatte sich verliebt. Gegen alle Vernunft. Sie hatte es nicht gewollt, doch wann hatte sie je Kontrolle über ihr Herz gehabt?“ Dieser kleine Pole ist ganz einfach wundervoll«, raunte Marie Dorval neben ihr. Ja, das war er. Aber er war mehr als das. George Sand wurde bewusst, dass dieser Mann eine andere Sprache der Liebe meisterlich beherrschte: die Sprache der Musik. «
Eine Frau zwischen den Gegensätzen
Hierin zeigt sich der große Unterschied zwischen der kirchlich-moralischen Ansicht und der freiheitlichen, für die George Sand öfters verurteilt wurde, etwa, weil sie zeitweise unverheiratet mit ihren Liebhabern zusammenlebte – und sich auch dagegen selbstbewusst durchsetzte :
„In ‚Spiridion‘ erzählte sie die Geschichte eines Novizen, der in dem Kloster, in dem er sein Gelübde ablegen will, mit der Zeit immer rätselhafteren Geheimnissen auf die Spur kommt. Auf der Suche nach tiefen Wahrheiten des Glaubens gerät er nicht nur in verwirrende Krisen, sondern enthüllt nach und nach verborgene Machenschaften der Mönche“, siehe Seite 367.
Wie das Schreiben ihr auf den Leib geschrieben steht, zeigt sich auch hier in dieser Textstelle, denn noch während sie ihren neuen Lebensgefährten Frederic Chopin versorgt, schreibt sie:
‚Ein Winter auf Mallorca‘ lautete der Titel ihres neuen Werkes. Schließlich hatte es sich schon früher bewährt, das, was sie erlebt hatte, in Fiktion zu verwandeln. Es tat gut, sich all den Groll von der Seele zu schreiben. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr man sie auf dieser Insel verletzt hatte. „Man kann mich am härtesten treffen“, schrieb sie, „wenn man ein Wesen schlecht behandelt, das ich liebe. Das schmerzt mich mehr, als jede Grausamkeit gegen mich selbst. «
Einfach gelungen, rundum berührend und ein Meisterwerk der Autorin Beate Rygiert!

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