Sandra Kreisler und Roger Stein alias „Wortfront“ zum Thema „Glück“ in der Orgelfabrik Durlach

Wie finden wir in der aktuellen Zeit eigentlich das Glück, zumal es mitunter sowieso schwer zu fassen und zu finden ist? Möglicherweise, indem wir schlichtweg etwas „aus Prinzip“ machen – oder auch nicht machen. Das teilen Sandra Kreisler und Roger Stein mit geballter Wort- und Gesangspower, wie es ihrem Bandtitel entspricht, dem Publikum an diesem Samstagabend, den 25.07., in der Orgelfabrik mit. So singen beide teils ironisch, teils sarkastisch, teils traurig, teils fröhlich; witzig, treffend sowie zugleich tiefsinnig und hintergründig. Damit regen sie das Publikum insgesamt zum Nachdenken an. Zum Nachdenken über eine Gesellschaft, die sich von ihrer Mentalität her oft nicht festlegen möchte, die Konfrontation oder Konflikte scheut. Oder eben auf „das Prinzip“ setzt. Die Furcht vor Unsicherheit wird auf die Schippe genommen, sodass man schnell erkennt: das titelgebende Glück ist nicht so leicht messbar. Nochmal zurück zum Prinzip. Ist es nicht wichtiger, erst einmal eine allgemein gültige Regel festzulegen, bevor man sich um den Individualfall kümmert? Im konkreten Fall geht es dabei in einem Gedicht des Duos um einen Ertrinkenden, der aber, irgendwann, nachdem beide so lange über ihn reden, nicht mehr zu sehen ist. Fast makaber bzw. eine Anregung dazu, darüber nachzudenken, ob man im Ernstfall doch mal lieber nicht nach Prinzip, sondern nach Priorität handeln sollte. Auch über die Zeit an sich, die man sich nehmen sollte, anstatt ständig zu hasten und zu hetzen, singt die Künstlerin bereits zu Beginn des Abends. Sie bedankt sich beim Publikum dafür, dass es „gegen die Corona-Front angekommen ist“ und sich in die Orgelfabrik gewagt hat, „damit wir noch mehr Zeit haben“.

Auf ironische Weise die Gesellschaft hinterfragen

Schon im nächsten Schritt singen beide „Alles vor dem Aber ist nicht so wichtig“. Dabei nehmen beide all diejenigen auf die Schippe, die sich erst einmal in tausend Ausflüchte stürzen, bevor sie ihr Ziel erreichen bzw. es in Angriff nehmen. „Vielleicht könnte man ja Tauchlehrer auf Lanzarote werden, aber… dann verliebt man sich, … aber dann bekommt man Kinder. Und so abert man sich durchs Leben“, singt Roger Stein, der das Duo den ganzen Abend über auf dem Klavier begleitet. Schon als kleines Kind sei er mit seiner Mutter zu seiner Klavierlehrerin gegangen und habe sagen sollen, was er gerne machen möchte, sagt Sandra Kreisler auf Schweizerdeutsch. „Alleine spielen“, sagte er, setzte sich prompt wieder ans Klavier und machte ein Lied auf das Salz. Schließlich sei das Salz dank seiner Mineralien sehr wichtig für alle Funktionen im Körper. Nicht nur das: „Reich‘ mir das Salz, denn es ist wichtig für die Balz.“ Auch Sandra Kreisler glänzt an diesem Abend mit Solo-Gesangseinlagen, zum Beispiel als die achtjährige „Sonja“. Sie sitzt mit Käppi auf der Bühne und singt von den Illusionen des Lebens, zum Beispiel über „alle im Fernsehen, die sind blöd“ oder „Liebe als Ware, die man über den Tresen schiebt“ oder „Es gibt so wenig Sommer, so wenig Sand am Meer.“ Außerdem singt sie über „Scheisstypen mit Scheiss-Schwänzen und Scheiss-Benehmen“, „Scheiss-Typen, die uns das bisschen Zeit verbauen.“ Nicht nur das: Auch für die potenziellen „Ja-Sager“, also heiratswillige Paare, haben beide ein Lied parat. Eines, das diese Anfragen eindämmen soll, wenn es auch mit dem Hochzeitsmarsch beginnt. „Aber lohnt sich soviel Aufwand für so wenig Verkehr?“, fragen beide und sind der Meinung, einen der beiden als „Nein“-Sager enttarnen zu müssen. Und „Waren Sie schon mal auf einem Klassentreffen? – Lassen Sie das lieber. Da trifft man nur alte Leute. Oder die Jugendliebe nach 25 Jahren. Und man möchte doch weiterträumen“. Nach so vielen freundlichen Ratschlägen und einem Einblick dessen in das, wie die Gesellschaft funktioniert, samt einiger Zugaben trotz des gekürzten Programms, wird es am Ende doch wieder ernst und besinnlich, im Sinne von zum Nachdenken anregend.

Mach‘ doch mal langsam

Beide performen Rücken an Rücken, unterstützt von einem pochenden Unterton, ihr Lied „Herz“. “ Ich bin es, Dein Herz, und ich scherz‘ nicht, wenn ich sage, merkst Du nicht wie leis‘ ich nur noch poch‘? Ich weiß Du hörst nicht hin – und ich spreche doch. Weißt Du überhaupt noch, dass es mich noch immer gibt? Du hast mich längst vergessen, hast so lang nicht mehr geliebt. Ja, ich bebe und ich lebe, schiess‘ das Blut in seine Bahn. Doch für Dich bin ich doch lediglich ein pumpendes Organ. Womit hab‘ ich’s verdient, Dein armes Herz zu sein? Ich kann ja doch nur pochen, denn ich hab‘ kein‘ Mund zum Schrei’n. Tag aus und Tag ein. In Deiner engen Brust allein“ (Quelle: https://genius.com/Wortfront-herz-lyrics) Da wird es einem beim Zuhören doch ein wenig klamm in der Brust und man überlegt sich, ob man nicht doch ein wenig achtsamer mit sich und seinem Leben umgehen sollte. Dem Herzen zuliebe. Insgesamt ein sympathisches Duo und ein gelungener Abend in einer nicht nur für Durlach sehr einzigartigen und angenehmen Umgebung. Klasse!

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